Retention ist das neue Recruiting: Wie man die Herausforderung der Mitarbeiterbindung erfolgreich meistert

Anna Eliseeva

In der heutigen Unternehmenslandschaft scheint der Wandel die einzige Konstante zu sein. Dabei verändert sich nicht nur die Landschaft, sondern auch die Prioritäten der Unternehmen – insbesondere in Bezug auf ihre Mitarbeitenden. Der Trend zeichnet ein klares Bild: Die Pflege und Bindung bestehender Mitarbeitender rückt zunehmend in den Vordergrund und verdrängt die traditionelle, manchmal blinde Fixierung auf Recruiting. Im Rahmen dieses Artikels haben wir die entscheidenden Faktoren der Mitarbeiterbindung umfassend untersucht und stellen hier die wichtigsten Erkenntnisse vor. 

Retention ist das neue Recruiting: Wie man die Herausforderung der Mitarbeiterbindung erfolgreich meistert

Die treibenden Kräfte der Mitarbeiterbindung 

Fluktuation, früher ein Zeichen von Normalität, wird zunehmend als Kostenfaktor und Produktivitätshemmnis erkannt. Unternehmen weltweit beginnen, den wahren Wert ihrer bestehenden Belegschaft zu schätzen und setzen daher verstärkt auf Strategien zur Mitarbeiterbindung. 

Im Laufe unserer Forschung haben wir die folgenden drei Haupttreiber der Mitarbeiterbindung identifiziert: 

1. Langfristige Beschäftigungsfähigkeit — Dieser Aspekt umfasst weit mehr als nur die aktuelle Fähigkeit der Mitarbeitenden, ihre Aufgaben effizient zu erfüllen. Er blickt über das Hier und Jetzt hinaus und betrachtet die gesamte berufliche Laufbahn des Beschäftigten. Dazu gehören optimale Arbeitsbedingungen, die dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden ihre Fähigkeiten und Kompetenzen optimal an ihre jeweiligen Aufgaben anpassen können. Gleichzeitig stellt eine langfristige Beschäftigungsfähigkeit sicher, dass genügend Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um Wachstum und Fortschritt zu fördern. Schließlich geht es auch darum, das Engagement der Mitarbeitenden zu stärken, um eine enge Bindung an die Zukunftsvision des Unternehmens zu gewährleisten. 

2. Befähigung — Unter Befähigung (“Empowerment”) verstehen wir das Bemühen des Unternehmens, seinen Beschäftigten die richtigen Werkzeuge, ein förderliches Arbeitsumfeld und die notwendigen Freiräume zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es nicht nur darum, physische Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, eine Atmosphäre zu schaffen, die es allen Beschäftigten ermöglicht, ihre Aufgaben optimal zu erfüllen und dabei ihr volles Potenzial zu entfalten. 

3. Teamführung — Unter diesem Aspekt betrachten wir die Qualität der Führung im Team. Die Rolle des Teamleaders spielt dabei eine Schlüsselrolle, nicht nur im Hinblick auf klare Anweisungen und Aufgabenverteilung. Es geht auch darum, ein positives Teamklima zu fördern und eine effektive Zusammenarbeit zu unterstützen, um das gesamte Team auf den gemeinsamen Erfolg auszurichten. 

Natürlich gibt es neben diesen 3 Haupttreibern der Mitarbeiterbindung noch weitere Faktoren, die zur Mitarbeiterbindung beitragen. Die Liste umfasst neben langfristiger Beschäftigungsfähigkeit, Befähigung und Teamführung auch Vertrauen, Change Management, Rollenklarheit, psychologische Sicherheit, Teamproduktivität, Kundenorientiertheit, Autonomie, Teamwork, gefühlte Verantwortlichkeit und vieles mehr.

In den folgenden Abschnitten werden wir diese 14 Faktoren der Mitarbeiterbindung in verschiedenen Konstellationen betrachten, abhängig von verschiedenen Faktoren wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Alter der Beschäftigten. 

Determinanten der Mitarbeiterbindung in verschiedenen Altersgruppen 

Effectory-Daten zeigen die wichtigsten Faktoren für die Mitarbeiterbindung in den verschiedenen Altersgruppen auf und liefern damit differenzierte Erkenntnisse für gezielte Bindungsstrategien. Die Faktoren sind von 1 (wichtigster Treiber der Mitarbeiterbindung) bis 14 (schwächster Treiber der Mitarbeiterbindung) geordnet: 

Insbesondere die Faktoren ” Langfristige Beschäftigungsfähigkeit” und “Befähigung” erweisen sich in allen Altersgruppen wiederholt als wichtigste Faktoren, während “Vertrauen”, “Teamwork” und “Inklusion” in bestimmten Altersgruppen ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen.  

Der Einfluss von Faktoren wie Kundenorientiertheit, Teamproduktivität und psychologische Sicherheit variiert jedoch, wobei die psychologische Sicherheit bei den 25- bis 34-Jährigen am wenigsten wichtig ist, während sie bei den 55- bis 64-Jährigen eine größere Rolle spielt. 

Darüber hinaus legen jüngere Arbeitnehmer:innen (bis 24 Jahre) großen Wert auf Vertrauen und Autonomie und betonen die Bedeutung von transparenter Kommunikation und Entscheidungsfreiheit. Ältere Arbeitnehmer:innen (65 Jahre und älter) legen dagegen mehr Wert auf Teamwork und Inklusion, was auf die Bedeutung einer kooperativen und integrativen Arbeitskultur für diese Altersgruppe hinweist. 

Der Einfluss von Betriebsgröße und Dauer der Betriebszugehörigkeit 

Bei näherer Betrachtung der Daten wird deutlich, dass auch die Betriebsgröße und die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle bei der Ausprägung dieser Bindungsfaktoren spielen. 

In kleineren Unternehmen (weniger als 500 Beschäftigte) steht die langfristige Beschäftigungsfähigkeit an erster Stelle, während Vertrauen, Teamführung und Befähigung ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen. In größeren Unternehmen (mit mehr als 500 Beschäftigten) ist die Befähigung der wichtigste Faktor, was auf die Notwendigkeit klarer Rollen und der Verfügbarkeit von Ressourcen in komplexeren Organisationsstrukturen hinweist. 

Die Analyse der Bindungsfaktoren in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit zeigt ebenfalls einige interessante Trends. 

So sind in der Anfangsphase der Beschäftigung (weniger als 1 Jahr) Befähigung, Teamführung und Inklusion am wichtigsten. Mit zunehmender Dauer der Betriebszugehörigkeit (mehr als 20 Jahre) gewinnen jedoch Faktoren wie Teamarbeit und Teamproduktivität an Bedeutung, was darauf hindeutet, dass sich die Prioritäten der Arbeitnehmer:innen über die Zeit verändern. Die Faktoren sind von 1 (wichtigster Treiber der Mitarbeiterbindung) bis 14 (schwächster Treiber der Mitarbeiterbindung) geordnet: 

Ausrichtung der HR-Strategien auf die sich im Zeitablauf verändernden Faktoren der Mitarbeiterbindung 

Was bedeuten diese Erkenntnisse für dein Unternehmen? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein ‘Einheitsbrei’ an Strategien zur Mitarbeiterbindung kaum den gewünschten Erfolg bringen wird. Für Unternehmen ist es entscheidend, die vielfältigen Bedürfnisse und Prioritäten ihrer Mitarbeitenden zu verstehen – abhängig von Faktoren wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Unternehmensgröße. 

Ein Unternehmen könnte sich beispielsweise darauf konzentrieren, Vertrauen und Autonomie zu stärken, um jüngere Beschäftigte an das Unternehmen zu binden. Bei älteren Mitarbeitenden könnte hingegen die Förderung der Teamarbeit im Vordergrund stehen. 

Ebenso spielt die Unternehmensgröße eine Rolle bei der Entwicklung von Strategien zur Mitarbeiterbindung. Kleinere Unternehmen könnten sich gezwungen sehen, in erster Linie attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine langfristige Beschäftigungsfähigkeit fördern. Bei größeren Unternehmen sollte der Schwerpunkt eher auf der Qualifizierung der Beschäftigten liegen. 

Schließlich kann die Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit den Unternehmen dabei helfen, die sich im Laufe der Zeit verändernden Bedürfnisse ihrer Beschäftigten zu antizipieren und zu erfüllen. 

Angesichts dieser Ergebnisse sollten die Unternehmen ihre Personalstrategien sorgfältig überprüfen und neu ausrichten, um sie optimal auf die Schlüsselfaktoren der Mitarbeiterbindung abzustimmen. 

Fazit 

Die Studie von Effectory unterstreicht, wie wichtig es für Unternehmen ist, einen differenzierten und datengestützten Ansatz zur Mitarbeiterbindung zu verfolgen. In der dynamischen Arbeitswelt der heutigen Zeit können diese Erkenntnisse über die Schlüsselfaktoren der Mitarbeiterbindung Unternehmen nicht nur dabei helfen, ihre Talente an Bord zu halten. Vielmehr helfen sie dabei, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende wachsen, sich entfalten und einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Unternehmenserfolg leisten können. 

Dabei ist zu beachten, dass die Bindung von Spitzenkräften kein einmaliges Projekt ist, sondern ein kontinuierliches Engagement erfordert. Letztlich geht es nicht nur darum, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten, sondern vielmehr darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie aus eigenem Antrieb bleiben wollen und dies auch gerne tun.